Von Ida Fahlstedt
(Flaggen von links: Tornedalings, Juden, Sami, Roma und schwedische Finnen)
Schweden hat fünf offizielle Minderheiten: Samen, schwedische Finnen, Tornedalings, Roma und Juden. Diese Gruppen gibt es in Schweden schon sehr lange. Juden leben seit dem 17. Jahrhundert im Land und Roma mindestens seit dem 16. Jahrhundert. Die Samen sind ein indigenes Volk und leben seit der Urzeit im heutigen Schweden. Tornedalings und finnisch sprachige Menschen gab es in Schweden schon lange vor der Gründung des schwedischen Staates. Jede Gruppe hat das Recht auf Schutz ihrer Kultur und Sprache. Minderheitenkulturen sind ein wichtiger Teil der schwedischen Gesellschaft und des kulturellen Erbes. Gleichzeitig mit der Erklärung der fünf offiziellen Minderheiten wurden auch fünf offizielle Minderheitensprachen erklärt: Samisch, Finnisch, Meänkieli, Romani und Jiddisch. Zusammen machen die offiziellen Minderheiten ungefähr 10 Prozent der schwedischen Bevölkerung aus.
Was die nationalen Minderheitensprachen gemeinsam haben, ist, dass sie in Schweden schon sehr lange gesprochen werden. Doch für einige von ihnen nimmt die Zahl der Sprecher jetzt rapide ab. Daher muss die Gesellschaft auf verschiedene Weise diejenigen, die die Sprachen sprechen, ermutigen und erleichtern, das Wissen an die nächste Generation weiterzugeben. Andernfalls besteht die große Gefahr, dass die Sprachen aussterben.
Um als offizielle Minderheit gezählt zu werden, muss die Gruppe gemäß den Vorschriften der schwedischen Regierung eine ausgeprägte Identät haben, die sich vom Rest der Bevölkerung unterscheiden lässt, eine religiöse, sprachliche, traditionelle oder kulturelle Besonderheit haben, die sie nicht mit anderen teilt, und den erklärten Wunsch haben, ihre Identität zu wahren und historische oder langfristige Beziehungen zu Schweden haben.
Das Minderheitengesetz legt die besonderen Rechte von Minderheiten fest. Die Minderheiten haben unter anderem das Recht auf Förderung ihrer eigenen Sprache und Kultur durch Unterricht in ihrer eigenen Sprache, Zusammenarbeit mit den Behörden in ihrer eigenen Sprache und besondere Betreuung älterer Menschen. Auch die Minderheiten haben das Recht, an sie betreffenden Entscheidungen mitzuwirken.
Samen und Samisch
Die Samen sind in Schweden nicht nur eine offizielle Minderheit, sondern werden auch als indigenes Volk bezeichnet. Samen leben seit etwas 12.000 Jahren in der Gegend, die oft als Sapmí bezeichnet wird. Sapmí erstreckt sich von der russischen Halbinsel Kola im Osten bis zur schwedischen Landschaft Dalarna in Süden. Sapmí umfasst somit Landgebiete in Russland, Finnland, Norwegen und Schweden. Die Samen ernährten sich hauptsächlich von der Jagd und dem Fischfang und waren ein Nomadenvolk. Heute leben etwa 20.000 – 40.000 Samen in Schweden.
Ein Großteil der samischen Religion und Kultur ist heute aufgrund der mehrere hundert Jahre andauernden erzwungenen Christianisierung verloren gegangen. Im Mittelalter geriet Sapmí in den Interessenbereich der umliegenden Staaten. Die Staaten wollten die Kontrolle über dieses Land und seine Reichtümer erlangen. Über mehrere hundert Jahre gab es einen Streit darüber, wer eigentlich das Recht auf das Land im Norden hatte. Die Kirchen der nordischen Länder und Russlands unterstützten die Regierungen ihrer Staaten und im Namen Gottes nahmen sie sich das Recht, den Glauben der Samen zu verurteilen. In Sapmí wurden mehrere Kirchen gebaut und Ende des 17. Jahrhunderts kam eine Zeit intensiver religiöser Auseinandersetzungen. Denn denen, die an ihrem alten Glauben festhielten, drohten Strafen verschiedener Art; Geld-, Freiheits- oder Todesstrafe. Der Staat richtete auch Schulen ein. Die erste Schule für samische Kinder wurde bereits Anfang des 17. Jahrhunderts eröffnet. Die wichtigsten Fächer waren christliche Erkenntnis und Bibellesen.
Während des 19. Jahrhunderts entstand in Schweden die Rassenbiologie. Man sagte, die Samen seien eine minderwertige Rasse, und Studien wie das Vermessen von samischen Schädeln wurden durchgeführt, um diese Überzeugung zu bestätigen. 1922 wurde das Landesrassenbiologische Institut gegründet. Sowohl samische Kinder als Erwachsene wurden sorgfältig vermessen und untersucht, es wurde auch anstößige Fotos gemacht. Die Forschung wurde kritisiert, weil sie keine tatsächlichen Ergebnisse erbrachte, da kein Unterschied festgestellt wurde. In den 1930er Jahren begann die rassenbiologische Aktivität an Boden zu verlieren, und 1958 wurde das Nationale Institut für Rassenbiologie an die Abteilung für medizinische Genetik der Universitär Uppsala übertragen.
Um den Platz der Samen in der heutigen schwedischen Gesellschaft zu begreifen, ist es wichtig, die Geschichte zu verstehen, die sie geschaffen hat. Heute haben die Samen durch das Minderheitengesetzt sogar als indigenes Volk besondere Rechte, sowohl durch das schwedische Gesetzt als durch die UN-Charta. Die Samen haben auch ein eigenes, vom Volk gewähltes Parlament in Form des „Sameting“. Das „Sameting“ hat jedoch keine übergeordneten Entscheidungsbefugnisse. Samen sind auch die einzigen, die in Schweden das Recht haben, sich um Rentiere zu kümmern, da die Rentierzucht mit samischen Kultur verbunden ist.
Schwedische Finnen und Finnisch
Finnisch wird in Schweden schon sehr lange gesprochen. Es war auch lange Zeit die zweitgrößte Sprache in Schweden, jetzt wird angenommen, dass Arabisch die zweitgrößte Sprache ist, aber es werden keine Statistiken darüber geführt, daher ist es schwierig zu wissen. Die Menschen haben sich vielen Jahrhunderte lang frei über den Bottnischen Meerbusen bewegt, und Finnland und Schweden waren 600 Jahre lang, bis 1809, ein Land. Aber einige größere Einwanderungswellen sind zu erkennen.
Im 16. und 17. Jahrhundert zogen viele Menschen aus dem heutigen Finnland nach Schweden, um in der Forstindustrie zu arbeiten. Schon im 19. Jahrhundert zogen viele Menschen von Finnland nach Schweden, um dem Krieg zu entkommen, aber auch aus politischen Gründen, nachdem Schweden 1809 Finnland an Russland verloren hatte. Während des Zweiten Weltkriegs wurden etwa 70.000 finnische Kinder nach Schweden geschickt, um dem Krieg in Finnland zu entkommen. Viele kehrten nach dem Krieg nach Hause zurück, aber rund 15.000 blieben in Schweden. In den 1960er und 1970er Jahren zogen sehr viele Menschen von Finnland nach Schweden, um dort zu arbeiten. Allein 1967 zogen rund 40.000 Menschen von Finnland nach Schweden.
Heute leben schätzungsweise etwa 700.000 Menschen mit finnischem Hintergrund in Schweden, von denen etwa 175.000 Finnisch als Muttersprache haben. Es gibt auch einen großen Anteil finnischer Bürger, denen Muttersprache Schwedisch ist.
In Schweden gibt es einige schwedische-finnische Schulen, an denen der Unterricht teilweise auf Finnisch und teilweise auf Schwedisch stattfindet. Es gibt auch einige finnischsprachige Klassen. Man kann Finnisch an drei Universitäten studieren und es gibt Kurse in Finnisch in verschiedenen Teilen des Landes. Finnischsprachige Schüler haben auch ein erklärtes Recht auf muttersprachlichen Unterricht, und es reicht aus, wenn ein Schüler der Klasse Unterricht wünscht, sodass sie Schule verpflichtet ist, dies zu arrangieren.
Tornedalings und Meänkieli
Menschen mit unterschiedlichen Sprachen haben sich seit Jahre frei über die Grenzen der Nordkalotte bewegt, die aus den nördlichsten Gebieten Norwegens, Schwedens und Finnlands sowie dem nordwestlichsten Russland besteht. Meänkieli wird seit langem auf beiden Seiten der Landesgrenze in Nordschweden und Finnland gesprochen. Auch auf norwegischer Seite wird „Kvänska“, das große Ähnlichkeiten mit Meänkieli aufweist, seit vielen hundert Jahren gesprochen, vielleicht sogar noch länger. Bevor die Sprache ihren offiziellen Namen erhielt, wurde Meänkieli oft als Tornedalen-Finnisch bezeichnet, da die Sprache in Tornedalen stark verankert ist. Aber Meänkieli wird auch an vielen anderen Orten in Schwedens gesprochen, und heute heißt die Sprache nur noch Meänkieli. Der Name ist eine Kombination aus zwei Wörtern, die unsere Sprache bedeuten.
Tornedalen wurde in zwei Teile geteilt, als Finnland sich von Schweden trennte und die Grenze zwischen Schweden und dem russischen Großfürstentum Finnland direkt durch ein Gebiet verlief, in dem die meisten Menschen Meänkieli sprachen. 1917 wurde Finnland unabhängig, aber die Grenze zwischen Finnland und Schweden blieb dort, wo sie 1809 gezogen wurde. Seitdem haben sich die (das Gebiet, in dem Meänkieli gesprochen wird) Sprachen auf beiden Seiten der Grenze in unterschiedliche Richtungen entwickelt.
Ende des 19. Jahrhunderts, im Zeitalter des Nationalismus in Europa, wollte die Regierung ein starkes Schwedisch und eine gemeinsame Sprache in Schweden etablieren. Das bedeutet, dass sie Schwedisch zur Standardsprache für alle Volksgruppen machen wollten, die in Schweden lebten, aber eine andere Sprache als Muttersprache hatten, zum Beispiel Sami, Meänkieli und Finnisch. Schwedisch wurde die einzige Unterrichtssprache in der Schule. Mancherorts gingen sie so weit, den Kindern auch in den Pausen zu verbieten, ihre Sprache zu sprechen. Die Schwedisierung setzte sich bis in die 1960er Jahre fort und führte dazu, dass viele Menschen ihre Muttersprache verloren. Es wird heute gesagt, dass zwei Generationen von Sprechern ihre Sprache aufgrund der Schwedisierungspolitik verloren haben. Selbst wenn man die Sprache heute spricht, kann man sie oft nicht lesen oder schreiben, da das in der Schule erworben werden.
Heutzutage benötigen Schüler aus Meänkieli-sprechenden Familien keine Vorkenntnisse der Sprache und es reicht aus, wenn ein Schüler Unterricht in seiner Muttersprache im Unterricht wünscht, dann ist die Schule verpflichtet, dies zu arrangieren. Doch in der Praxis schränkt die Verfügbarkeit von Lehrkräften und Unterrichtsmaterialien die Möglichkeiten des Unterrichtes in der Schule oft ein. Man kann auch Meänkieli an der Universität Umeå studieren, wo sowohl Anfängerkurse als auch weiterführende Kurse angeboten werden.
Roma und Romani
Die Roma stammen aus den Punjab-Gebiet im Nordwesten Indiens. Es ist nicht bekannt, warum oder wann genau sie gegangen sind. Vielleicht wanderten die Roma in 11. Jahrhundert aus und gelangten über die Türkei auf den Balkan und nach Osteuropa. Vom dort zogen sie weiter und leben heute in ganz Europa, aber auch in den USA und Südamerika. Die ersten Roma kamen im 16. Jahrhundert nach Schweden. Das frühste schriftliche Dokument, das zeigt, dass es in Schweden Roma gab, stammt aus dem Jahr 1512.
Romani wird in vielen Ländern gesprochen. Es ist in keinem Land eine Mehrheitssprache, aber eine nationale Minderheitensprache in Schweden und hat eine ähnliche Stellung in Norwegen, Finnland, Deutschland, Nordmazedonien und im Kosovo.
Roma wurden mit großem Misstrauen konfrontiert und schlecht behandelt. 1637 (Roma-Migration durch Europa) wurde eine Vorordnung erlassen, die in
ihrer Grausamkeit einzigartig in der schwedischen Rechtsgeschichte ist. Die Roma wurden vertrieben. Ende des 17. Jahrhunderts änderte man seine Haltung und erlaubten den Roma zu bleiben, wenn sie getauft wurden. 1748 wurde ein Gesetz erlassen, das jegliche Roma-Einwanderung verhindern und die hier Verbliebenen zur dauerhaften Niederlassung zwingen wollte. 1914 gab es eine weitere Verordnung, die jegliche Roma-Einwanderung verbot und erst 1954 abgeschafft wurde. Die Roma, die zu dieser Zeit in Schweden lebten, waren vollständig von ihren Verwandten in Europa isoliert.
Bis in die 1950er Jahre durften Roma nicht in normalen Häusern wohnen, die Kinder durften nicht zur Schule gehen, Roma wurden verfolgt und massiv diskriminiert. Sie erhielten in Schweden oft keine medizinische Versorgung, auch nicht, wenn sie ihre Kinder gebären und versorgen mussten. Aufgrund von Diskriminierung und Verfolgung haben Roma ihre Sprache lange für sich behalten und es vermieden, sie vor anderen zu sprechen.
Anfang der 1950er Jahre wurde in Schweden viele Stimmen laut, dass die Lebensbedingungen der Roma verbessert werden müssen. 1954 wurde beschlossen, Unterkünfte für Roma zu schaffen und 1959, dass Roma-Kinder zur Schule gehen dürfen. Dann bekamen die Roma auch in Schweden das Wahlrecht.
Romani wird als territorial ungebundene Minderheitensprache eingestuft, also als Sprache, die im Gegensatz zu Sami, Finnisch und Meänkieli keine historische Verbindung zu einem bestimmten Gebiet oder Land hat. Die Hochschule Södertälje ist für die Bildung im Rahmen der Roma-Studien in Schweden verantwortlich. Sie bilden muttersprachliche Lehrer und sogenannte Brückenbauer aus, die das Bindeglied zwischen Roma-Familien, Schule und Behörden sein sollen. Einzelkurse in Romani bieten sie jedoch bisher nicht an. Das bedeutet, dass Romani derzeit nicht auf Universitätsniveau in Schweden studiert werden kann.
Juden und Jiddisch
Jiddisch ist eine von mehreren jüdischen Sprachen und wahrscheinlich die kleinste offizielle Minderheitensprache in Schweden. Andere jüdische Sprachen sind zum Beispiel Hebräisch, Ladino und Aramäisch. Jiddisch war vor dem Holocaust die drittgrößte germanische Sprache der Welt. Während des Holocaust wurden fünf Millionen jiddischsprachige Juden ermordet. Diese fünf Millionen machen 85 Prozent der Gesamtzahl der während des Zweiten Weltkriegs ermordeten Juden aus. Die Sprache überlebt heute in begrenzter Form, ohne natürlichen Platz neben Vereins- und Familienleben.
1685 wurde ein Gesetz erlassen, das vorschrieb, dass Juden, sie nach Schweden kamen, getauft und Christen werden mussten, um zu bleiben. Der erste Jude, der ohne Konversion die Erlaubnis erhielt, sich in Schweden niederzulassen, was Aaron Isaac, der 1774 aus Deutschland kam. Er sprach Jiddisch. Die sogenannte „Judenordnung“ wurde 1782 eingeführt und bedeutete, dass Juden sich nur in Stockholm, Göteborg und Norrköping niederlassen durften es war ihnen verboten, Nichtjuden zu heiraten und bestimmte Handwerke nicht auszuüben. Außerdem mussten Juden einen sogenannten Schutzbrief haben. Um einen zu bekommen, musste man mindestens 2.000 Reichstaler besitzen – eine fast astronomische Summe –, was praktisch bedeutete, dass es für die armen osteuropäischen Juden fast unmöglich war, sich im Land niederzulassen. Die Verordnung wurde 1838 durch eine Verordnung ersetzt, die noch Beschränkungen für Juden enthielt. Erst 1870 erhielten die schwedischen Juden die gleichen Bürgerrechte.
Im Russischen Reich war die Gesetzgebung im 19. Jahrhundert stark antijüdisch. Als 1881 Zar Alexander II. ermordet wurde, verbreiteten sich Gerüchte, der Mörder sei Jude, was zu einer gewalttätigen und blutigen Verfolgung der Juden führte. Die Verfolgung verursachte eine jüdische Massenauswanderung aus Russland, unter anderem nach Schweden.
Die größte Gruppe der heute in Schweden lebenden jiddischsprachigen Personen besteht aus Überlebenden des Holocaust und ihren Kindern.
1968 flohen Zehntausende Juden nach Schikanen aus Polen, und unter den 3.500, die nach Schweden kamen, befanden sich auch solche, die Jiddisch sprachen. Aber die jüngsten Gruppen russische Juden, die nach der Auflösung der Sowjetunion 1991 ankamen, hörte als Kinder oft nur Jiddisch.
Jiddisch wird als territorial ungebundene Minderheitensprache eingestuft, genau wie Romani. In der Schule kann man Jiddisch als Muttersprache lesen, und wenn man Jiddisch auf einem höheren Niveau lernen möchtet, gibt es Kurse an der Universität Lund. In Schweden gibt es 250-1.500 Menschen, die Jiddisch teilweise beherrschen. Die Gefahr des Aussterbens des Jiddischen in Schweden ist groß, wenn die Sprache nicht aktiv an Kinder und Jugendliche weitergegeben wird.
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