Von Peter Marx und Catrine Hellberg
Die Schweden und der deutsche Buchmarkt – das ist eine ganz erstaunliche Erfolgsgeschichte. Ganz bestimmt haben Sie Bücher einer der folgenden Verlage gelesen und sogar in Ihrem Regal stehen: Carlsen, Piper, arsEdition, Münchener Verlagsgruppe oder Ullstein. Die wenigsten wissen jedoch, dass diese und noch weitere zur zweitgrößten deutschen Buchverlagsgruppe (Jahresumsatz 285 Mio Euro) gehören – und dass diese wiederum Teil einer internationalen Mediengruppe mit 175 Unternehmen in 16 Ländern ist. Ihr Name ist in Schweden jedem bekannt, in Deutschland nur Fachleuten: Bonnier.
Möglicherweise war es ein bloßer Zufall, der das Bonnier-Engagement in Deutschland 1980 begründete. Damals kaufte der Stockholmer Familienkonzern den dänischen Carlsen-Verlag. Dieser deutsche Ableger bestand im Wesentlichen aus einem großen Warenlager mit einem sehr kleinen Vertriebsbüro in Reinbek bei Hamburg. Ob Bonnier beim Kauf des dänischen Carlsen Verlages bewusst war, dass man damit im Grunde auch einen Verlag in Deutschland erwerben würde, ist bis heute nicht bekannt. Und doch steckt in diesem möglicherweise unbeabsichtigten Kauf der deutschen Carlsen-Einheit die Geburtsstunde von Bonnier Media Deutschland. Aus der kleinen Keimzelle entstand Deutschlands größter Kinderbuchverlag mit bisher unübertroffenen Kinderbucherfolgen wie den “Harry Potter”-Bänden von J.K. Rowling oder den “Biss”-Romanen von Stephenie Meyer. In den folgenden Jahren wurde unter dem Holding-Geschäftsführer Viktor Niemann und seinem Nachfolger Hartmut Jedicke eine Organisation geschaffen, deren Grundfeste bis zum heutigen Tag Bestand haben: Eine bewusst dezentrale Aufstellung der Verlagshäuser fördert größtmögliche Kreativität und Flexibilität sowie unabhängige Hauskulturen, überschaubare Einheiten, starke Verleger und Geschäftsführer – attraktive Voraussetzungen sowohl für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie auch Autorinnen und Autoren und vielleicht ein schwedisches Gegenmodell zu anderen Mediengruppen mit eher amerikanischer Konzernkultur.
Ob die Verbindungen zur schwedischen Mutter auch schwedischen Autoren den Zugang zum deutschen Markt erleichtern? Die schwedische Krimi-Queen Camilla Läckberg
erscheint in Deutschland wohl nicht zufällig bei Ullstein, Tochter der Bonnier
Media Deutschland. Und beim weiteren Tochterunternehmen Piper gibt es eine eigene Programmabteilung mit skandinavischen Krimis, Autoren wie Arne Dahl, Jörn Lier Horst oder Niklas Natt och Dag (Foto rechts).
Thomas Tebbe, Programmleiter beim Piper Verlag, bestätigt: „Die Zusammenarbeit mit unseren Kolleginnen und Kollegen in Schweden und der stete Blick in den Norden sorgen sicher dafür, dass wir uns der schwedischen Bücher im Piper Programm bewusster sind als zuvor. Und natürlich sind die Wege zwischen der Bonnier AB und uns auch sehr viel kürzer geworden, seit der Piper Verlag Teil des schwedischen Medienunternehmens geworden ist.“ Gegenseitige Besuche, persönliche Empfehlungen
und regelmäßiger Austausch gehörten ebenso dazu wie die Pflege langjähriger Beziehungen, innerhalb derer die jeweiligen Vorstellungen immer klarer und transparenter würden, führt Tebbe aus, und ergänzt: „Da ist es menschlich und nachvollziehbar,
dass die Zahl schwedischer Romane und Sachbücher auf unserer Liste stetig wächst. Zuletzt waren das u.a. Daniel Birnbaum mit seinemBuch über den eigenen Großvater
oder der jüngste Roman der großen Kerstin Ekman.“
200 Übersetzungen pro Jahr
Doch welche Möglichkeiten gibt es außerhalb solcher „Familienbeziehungen“ für schwedische Autoren auf dem deutschen Buchmarkt?
Grit Thunemann, Literaturreferentin der Schwedischen Botschaft, nennt erstaunliche Zahlen: „In den letzten Jahren wurden jedes Jahr um die 200 Bücher aus dem Schwedischen ins Deutsche übersetzt, davon etwa 150 bis 160 Bücher im Bereich Belletristik. Damit ist Schwedisch beim Ranking der Fremdsprachen, aus denen übersetzt wird, immer irgendwo auf den Plätzen 4 bis 7 zu finden und liegt noch vor Weltsprachen wie beispielsweise Russisch.“
Das wahrscheinlich wichtigste Forum für schwedische und nordische Literatur in Deutschland ist der Auftritt der Botschaften und Kultur- und Literaturinstitute der nordischen Länder (mit Unterstützung des Nordischen Ministerrates) auf der Leipziger Buchmesse. „Wir präsentieren dort jedes Jahr in Zusammenarbeit mit den deutschen Verlagen im Durchschnitt um die 30 nordische Autorinnen und Autoren mit ihren aktuellen deutschen Neuerscheinungen, darunter immer auch fünf bis – sechs aus Schweden, und decken bei der Auswahl, nach Möglichkeit, auch ein breites Spektrum ab (Kinder- und Jugendbuch, Belletristik, Lyrik, Krimi, Sachbuch…)“, berichtet Thunemann. Am Messestand, dem bekannten Nordischen Forum in Halle 4, das sich zu einem Treffpunkt für alle Fans, Verlegerinnen und Verleger, Übersetzerinnen und Übersetzer und Kritikerinnen und Kritikernordischer Literatur entwickelt habe, führen die Nordischen Länder an den vier Messetagen im Durchschnitt etwa 40 Lesungen mit nordischen Autoren und Autorinnen durch. Hinzu kommen Veranstaltungen in Schulen und Bibliotheken im Kinder- und Jugendbuchbereich, die legendäre Nordische Literaturnacht am Messefreitag in der Stadt (mit zwei Autorinnen oder Autoren pro Land) und zahlreiche Einzelveranstaltungen (national, bilateral, thematisch etc.). „Die Vorbereitungen für die Leipziger Buchmesse 2022 beginnen gerade“, sagt Thunemann voller Vorfreude. „Wir haben bereits die ersten Zusagen. Wird toll, aber mehr wird noch nicht verraten“, lächelt sie. Die Botschaft unterstützt auch Lesetouren schwedischer Autoren und führt Lesungen im Felleshus der Nordischen Botschaften durch.
Zu den Unterstützern der Autoren und Autorinnen aus Schweden zählen auch das Svenska Institut, das u.a. die Lektoren und Dozenten der Skandinavistik-Fakultäten zu einer jährlichen Konferenz einlädt, und der Kulturråd. Dieser unterstützt beispielsweise Übersetzungsprojekte aus dem Schwedischen und vergibt mit dem Astrid Lindgren Memorial Award den größten Kinderliteraturpreis der Welt.
Die Spotifizierung des Buchmarkts: Bookbeat und Nextory
Die Schweden gehörten wohl zu den ersten, die erkannten, welche Möglichkeiten die Digitalisierung von Medien bieten, aber auch die Tatsache, dass heute jedermann ein perfektes Abspielgerät immer dabeihat – das Smartphone. Das entscheidende und systemverändernde Konzept von Spotify ist es, eine quasi unbegrenzte Anzahl von Musiktiteln mit einem Monatsabo zugänglich zu machen. Dieses Geschäftsmodell, Musik und Filme nicht mehr zu kaufen, sondern zu abonnieren, haben gleich drei weitere schwedische Unternehmen für ihre„Spezialbereiche“ adaptiert – alles übrigens Mitglieder der Schwedischen Handelskammer in Deutschland. Readly widmet sich Magazinen und Zeitungen, Bookbeat bietet eine immense Auswahl an Hörbüchern und Nextory, der Newcomer auf dem deutschen Markt, verspricht nicht nur eine Flatrate für Hörbücher, sondern auch für eBooks zum Lesen. Unser Tipp für alle Schweden im Lande und alle, die ihre Schwedischkenntnisse frisch halten möchten: insbesondere Readly und Bookbeat bieten dank ihrer schwedischen Wurzeln ein breites Angebot an schwedischen Medien. Bei allen drei Anbietern erhalten Mitglieder der Kammer außerdem vergünstigte Konditionen.
Schweden sind also nicht nur als Autorinnen und Verleger auf dem deutschen Markt erfolgreich, sondern auch mit innovativen Konzepten und Vorreiter in Sachen Digitalisierung. Wir dürfen gespannt sein, Geschichten aus dem Norden zu uns kommen – und welche Innovationen für uns bereitstehen, um diese zu verschlingen.
Skandinavische Buchhandlungen in Deutschland
Das Angebot online wächst ständig, im Geist der Digitalisierung. Ab und zu will man doch vielleicht in einem physischen Buchladen schlendern und herumsuchen. Hier sind einige Buchhandlungen und begeisterte Inhaberinnen, die sich auf skandinavische Literatur spezialisieren:
Jussi – mein skandinavisches Krimi-Buch-Café
Sind Krimis und Kuchen eine unwiderstehliche Kombination? Bianca Jarske ist der Meinung und betreibt in Hamburg das beliebte Jussi – mein skandinavisches Krimi-Buch-Café. Hier findet man eine umfangreiche Krimiauswahl vom Mankell-Klasiker bis zum aktuellen Arne Dahl Politthriller. Und auch die wohlbekannten Kinderbücher von Astrid Lindgren locken die jüngeren Leser, und wem die skandinavischen Krimis zu spannend sind, für den gibt es auch unterhaltsame Romane und Erzählungen. Das durchgehende Thema ist, wie der Name verrät, Skandinavien, und das gilt auch für die Leckereien im Café. Hier warten selbstgebackene skandinavische Kuchen und Gebäcke darauf, neben dem Schmökern verspeist zu werden.
Wieso Jussi? Natürlich kommt der Name nicht von irgendwo: Bianca Jarske hat den Namen für ihr Café ausgewählt, zum einen als Hommage an den dänischen Krimiautoren Jussi Adler Olsen. Zum anderen ist Jussi auch der Name des Hundes von Kommissar Wallander, dem Kommissar der berühmten Kriminalromane Henning Mankells.
Pankebuch – Die Schönsten Bücher des Nordens
In Berliner Stadtteil Pankow, nicht weit entfernt vom drittgrößten Fluss der Stadt Panke, bieten Petra, Kathleen und Katrin Lektüre mit nordischem Flair an. Das breite Sortiment besteht aus Literatur über Berlin-Brandenburg, Norddeutschland, dem Baltikum und den nordischen Ländern. Seit 2013 ist Panke die Partnerbuchhandlung der Nordischen Botschaften. Die drei buchliebenden Frauen arbeiten auch mit dem Finnland-Institut, sowie dem Verein Das Finnische Buch und vielen Akteuren vor Ort zusammen. Im Laufe der Jahre ist die Buchhandlung zu einem beliebten Treffpunkt für Menschen mit einer Leidenschaft für die Literatur und Kultur des Nordens geworden. Auf dem Programm stehen Lesungen, Kunstausstellungen, aber auch das Feiern skandinavischer Feste, von Mittsommer bis Lucia.
Sophias svenska bokhandel och mer
In München konnte man zehn Jahre lang die Buchhandlung Sophias Bokhandel & Geralds Leseecke mit einem weitläufigen Sortiment von vorrangig skandinavischer Literatur besuchen. Im Jahre 2019 wurde der Laden leider geschlossen, und die Coronapandemie erschwerte eine Wiedereröffnung. Die schwedische Inhaberin Sophia Wrangel betreibt aber weiter den Onlineshop Sophias svenska bokhandel och mer. Neben Romanen und Kinderbüchern für alle Altersklassen auf Schwedisch, Norwegisch, Dänisch, Isländisch und Deutsch findet man hier auch Fachbücher, Filme, Musik, Hörbücher und schwedische Souvenirs. Die Firmenphilosophie setzt auf persönliche Beratung und individuelle Betreuung der Kunden.
Ein anderer Teil des Betriebs, den Sophia jetzt weiterentwickelt, ist Schwedisch- und Deutschunterricht, sowohl online als auch vor Ort. Man darf
gespannt sein, wohin sich Sophias Buchhandlung entwickelt.
Comments