von Sebastian Eklund
Warum Skandinavien an der Spitze der wichtigsten Liste der Welt steht
Die skandinavischen Länder, Schweden, Norwegen, Dänemark und Finnland, liegen immer und immer wieder ganz oben auf der vielleicht wichtigen Liste über den Erfolg einer Nation, nämlich dem globalen Glücksindex. Wo sich vermutlich viele hauptsächlich in fast ständiger Dunkelheit lebende reservierte Wikinger-Nachfahren vorstellen, erfreuen sich laut zahlreichern Untersuchungen die glücklichsten Menschen der Welt ihres Daseins. Aber warum sind die Skandinavier mit ihrem Leben so zufrieden? Liegt die Ursache in der Nähe zur Natur, dem hohen BIP oder in der Ernährung mit Fisch und Köttbullar? Oder vielleicht ist es einfach ein Messfehler und die Skandinavier antworten die Glückumfragen nach sozialer Erwünschtheit? Das Ergebnis der skandinavischen Länder bei den Glücksindizes löst oft eine lebhafte Debatte aus und es ist wert, näher untersucht zu werden.
Wie misst man Glücklichkeit?
Zuerst muss man ein paar Begriffe differenzieren. Glück wird von den meisten Forschern nicht einfach als die Abwesenheit von Unglück definiert, sondern es müssen auch positive Gefühle da sein. Das heißt, in diesem Zusammenhang schaut man nicht nur auf die Anzahl von Patienten mit psychiatrischen Diagnosen oder wie oft Leute sich unwohl fühlen. Einige Wissenschaftler schlagen vor, dass das Glück die Summe aus vielen positiven Gefühle, wenigen negativen, sowie einer generellen Lebenszufriedenheit ist. Zusammen werden diesen Faktoren subjektives Wohlbefinden genannt. Manche bekannten (und unbekannten) Philosophen würden tatsächlich nicht dieser Definition von Glücklichkeit zustimmen, aber Wissenschaft ist schon durch die Notwendigkeit, zuverlässige Messung machen zu können eingeschränkt. In jedem Fall ist subjektives Wohlbefinden ein gut untersuchtes Konzept mit vielen interessanten Implikationen, einer davon ist, dass die skandinavischen Länder hervorstechen.
Psychologen haben zahlreiche Faktoren gefunden, die das menschliche Glück stark beeinflussen. Vermutlich ist die Idee, dass materieller Reichtum eine besonderes starke Determinante bildet weit verbreitet und diese Annahme hat auch einen gewissen wissenschaftlichen Wert, aber es ist jedoch nicht total entscheidend. Generell gilt: wer arm ist, ist auch weniger glücklich, aber diese Erkenntnisse beziehen sich auf echte Armut und sind weniger relevant in den reichen Teilen der Welt wie Skandinavien. Für einen Menschen, der genug hat um sein Leben zu bestreiten, gibt es andere Faktoren, die weitaus wichtiger sind. Zudem ist die Zufriedenheit mit der eigenen finanziellen Situation stark davon beeinflusst, mit wem man sich vergleicht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Reichtum bei weitem kein Garant für ein glückliches Leben ist, aber es kann Unglück verringern. Sowohl Genetik als auch Persönlichkeit scheinen das Glück zu beeinflussen, sind aber im Allgemeinen stabil und schwer zu verändern.
Was einen großen Einfluss auf das Wohlbefinden zu haben scheint, sind jedoch die sozialen Ressourcen einer Person. Ein Mensch, der das Gefühl hat, dass er über ein zufriedenstellendes Maß an sozialen Beziehungen und Aktivitäten verfügt, scheint bei Glückstests sehr gut abzuschneiden. Menschen sind soziale Wesen und wir brauchen einen Zusammenhang, um uns wohl und sicher zu fühlen. Extrovertierte Personen sind auch überhaupt glücklicher als die, die eine eher introvertierte Veranlagung haben. Zahlreiche Studien erwiesen, dass Leute, die in einer religiösen Gemeinde aktiv sind, davon profitieren, insbesondere wegen der sozialen Unterstützung. Man sollte jedoch nicht denken, dass die Menge der sozialen Verbindungen das einzig Wichtige ist. Verheiratet zu sein, wenn die Ehe glücklich ist, ist in hohem Maße mit einem glücklicheren Leben verbunden. Insgesamt scheint Kontakt mit einander sehr wertvoll zu sein.
Des Weiteren kann man sein Wohlbefinden mit weniger drastischen Maßnahmen steigern als mit einer Heirat. Einen persönlichen Sinn im Leben zu finden, religiös oder anderweitig, erhöht das Glück. Wissenschaftler haben auch gefunden, dass körperliche Betätigung sowohl kurz- als auch langfristig positive Effekte hat. Aber auch hier muss man an die sozialen Aspekte denken, weil Sport häufig in Gruppe ausgeübt wird und deswegen eine Gemeinschaft bildet.
Die Bedeutung des Sozialstaats
So, warum also gibt es diese guten Ergebnisse aus Skandinavien? Obwohl die nordischen Länder alle wirtschaftlich ziemlich gut dastehen, gilt das doch auch auch für viele andere Länder. Die Skandinavier sind statistische Ausreißer und man kann es nicht damit erklären, dass sie sozialer sind oder gar öfter heiraten. Ganz im Gegenteil haben sie den Ruf, zurückhaltend zu sein und die Kernfamilie nicht sehr stark zu betonen.
Gemäß den Autoren einer Studie aus dem Jahr 2010, die Dänemark im Vergleich zu den Vereinigten Staaten untersuchte, scheinen die ärmsten Menschen in dem skandinavischen Land weniger unglücklich zu sein als ihre Gegenstücke in den USA. Entsprechend schlagen Forscher häufig die Erklärung vor, dass die skandinavischen staatlichen Sozialsysteme erhöhtes Glück mit sich bringen. Das heißt, die Skandinavier haben nicht den Schlüssel zum Glück gefunden, sondern sind sie gut geschützt gegen Unglück. Sich sicher zu fühlen, dass wenn es schlecht läuft der Staat da ist und hilft, ist auch ein Grundpfeiler in der skandinavischen Sozialpolitik. Umfassendes Vertrauen in skandinavischen Gemeinden vergrößert wieder das Wohlbefinden und Gefühl von Sicherheit, eine Sicherheit die sich auch im Arbeitsmarkt widerspiegelt. Laut dem Welt-Glücksbericht 2020 liegt das erhöhte Glück in Skandinavien im großen Teil begründet in staatlichen Institutionen, die das Wohlbefinden ihrer Bürger immer garantieren. Aber auch der kulturelle Faktor sollte erwähnt werden - denn hier gibt es deutliche Unterschiede zu anderen reichen Ländern wie Deutschland. Skandinavier vertrauen einander sowie dem Staat grundsätzlich - und fühlen sich überhaupt autonom und frei.
Vertrauen ist die Grundlage
Vielleicht wird das grundlegende Vertrauen der Skandinavier, in ihre Mitbürger und Behörden, in den größeren Ländern mit gewaltsamerer neuerer Geschichte, für Naivität gehalten. Das mag sein, aber die Bedeutung, die Glücklichkeit hat, sowohl für den Einzelnen als auch für ein Land, ist unmöglich zu ignorieren. Nicht nur verbessert Wohlbefinden die Produktivität und Langlebigkeit eines Menschen, es könnte vielleicht auch in der Zukunft wirtschaftliche Messungen als Indikator für den Erfolg einer Nation ersetzen. Die Forschung ist noch nicht vollständig, und viele Aspekte müssen noch erforscht werden, aber das Ziel, Glück zu erreichen vereinigt wahrscheinlich jeden Menschen auf der ganzen Welt und im Laufe der gesamten Geschichte. Vielleicht lohnt es sich deshalb, den Blick nach Norden zu richten.
Comments